Aachener Nachrichten - 12.05.2007
Kulinarischer Kulturen-Mix in Buchform
Andrea Thomas
Herzogenrath. Liebe soll sprichwörtlich durch den Magen gehen. Das funktioniert auch bei Freundschaften und Kontakten über verschiedene Kulturen hinweg hervorragend. Kaum etwas sagt so viel über ein Land, seine Menschen und seine Kultur aus, wie das, was man dort isst. Eine Erfahrung, die die Evangelische Flüchtlingsberatung Herzogenrath und der Ökumenische Arbeitskreis gegen Fremdenfeindlichkeit bereits vor vielen Jahren gemacht haben. „Wenn wir eine Asylbewerberunterkunft besuchten, hieß es ganz oft: ‚Essen Sie doch mit uns‘", so Heike Kessler-Wiertz von der Flüchtlingsberatung. Dies sei einerseits eine schöne Geste der Gastfreundschaft gewesen und für die Menschen, die bei ihnen Hilfe suchten, die Möglichkeit, etwas zurückzugeben, aber auch um Kontakte zu knüpfen und sich kennenzulernen. „Es ist toll, was sich über das gemeinsame Essen an Gesprächen entwickelt", sagt sie. Eine Erfahrung, die auch die Ehrenamtler des Ökumenischen Arbeitskreises gegen Fremdenfeindlichkeit „Hand-in-Hand" gemacht haben: Immer wieder brachten die Frauen zu den Treffen etwas zu Essen aus ihrer Heimat mit. Ausgetauscht Daraus entwickelten sich viele Projekte und Aktionen. So kochten die Flüchtlingsfrauen aus der Türkei, dem Iran, dem Irak, Sri Lanka, Syrien, Afghanistan, Nigeria, Mazedonien, dem Libanon, Marokko und Tschetschenien, die mit ihren Familien in Herzogenrath ein neues Zuhause gefunden haben, zum internationalen Frauentag oder zur interkulturellen Woche und immer wieder einfach so miteinander. Rezepte wurden ausgetauscht und abgeschrieben, doch mit einer Lose-Blatt-Sammlung waren die Frauen nicht zufrieden. Und so entstand vor gut anderthalb Jahren die Idee zu einem gemeinsamen Kochbuch. „Mit Le(a)ib und Seele - Kulturaustausch zwischen Kochtöpfen" heißt es. Das Druckwerk wurde im FrauenKommunikationsZentrum im Bahnhof vorgestellt. Viele der Frauen, die mitgewirkt hatten, waren mit ihren Familien gekommen, dazu die Mitglieder von „Hand-in-Hand" und eine ganze Reihe interessierter Gäste. Mit so viel Andrang hatten Heike Kessler-Wiertz und ihr Organisationsteam nicht gerechnet, flugs wurden noch ein paar Tische und Stühle angebaut, um den rund 80 Gästen Platz zu bieten. Auch sonst war Improvisation Trumpf. Der Vorleser hatte abgesagt, da griffen die Damen selbst zum Buch, um mit Geschichten aus den verschiedenen Ländern auf das Essen in anderen Kulturen einzustimmen. Diese sind ein wichtiger Bestandteil des Kochbuches, das Kessler-Wiertz gemeinsam mit Verena Muhl (Grafik, Layout und Illustration), Dagmar Delahaye und Annette Schölzel von „Hand-in-Hand" zusammengestellt hat. Neben den Rezepten findet der Leser Geschichten rund ums Essen und Interviews mit einigen der rund 30 Frauen, die sich in die Kochtöpfe gucken ließen. „Was lange währt, wird super-gut", lobte Pfarrerin Angelika Krakau von der evangelischen Gemeinde das Ergebnis. Auch Anne Fink, die als stellvertretende Bürgermeisterin die Grüße der Stadt überbrachte und sich selbst für „Hand-in-Hand" engagiert, war begeistert: Von dem Buch und von dem lebendigen Miteinander zwischen den Familien. Viele Kostproben Natürlich hatten die Frauen auch Kostproben ihre Kochkünste mitgebracht, so dass die Gäste auf kulinarische Entdeckungsreise gehen konnten. Da gab es Joghurt-Zitronen-Kuchen aus Marokko, Sigara böregi (gefüllte Teigröllchen) aus der Türkei, gefüllte Pfannkuchen aus Tschetschenien, eine herzhafte Teigschnecke mit Spinat aus Mazedonien und vieles mehr. Was fürs Auge gab es auch noch, zwei junge Mädchen aus Sri Lanka zeigten in den farbenfrohen Gewändern ihrer Heimat tamilische Tänze. Vor allem aber bestätigte sich erneut die Überzeugung von Heike Kessler-Wiertz: „Übers Essen erreicht man ganz viel."