Ein heller Seminarraum im frisch renovierten Bahnhof von Herzogenrath, es
herrscht eine Atmosphäre konzentrierter Aufmerksamkeit. Aus der Runde der am
großen Tisch versammelten Teilnehmerinnen kommen Stichworte, die sich mit der
Verhütung von Gewalt unter Schülern beschäftigen: "Erfolgserlebnisse
schaffen." "Eine gemeinsame Sprache finden." "Dem anderen
Raum geben." "Positives hervorheben." Auf den ersten Blick ist zu
erkennen, dass hier Frauen versammelt sind, die mit großem Engagement an die
selbst gestellte Aufgabe herangehen. Eine Beobachtung, die Birgit Kuballa,
Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Herzogenrath bestätigt: "Die
Motivation der Teilnehmerinnen, die ganz unterschiedliche persönliche
Voraussetzungen haben, ist enorm. Für die Qualifizierung opfern sie private
Zeit, die sie neben ihrer Arbeit erübrigen müssen."
Bei der Qualifizierung geht es um eine hochwertige Betreuung von Schülern im
Rahmen der Offenen Ganztagsschule (OGS) – für Nordrhein-Westfalen ein neues,
noch in der Entwicklung befindliches Modell, das ein ganzes Bündel
pädagogischer und organisatorischer Herausforderungen bereithält. Finanziell
gefördert wird die Maßnahme durch das Programm "Regionen stärken
Frauen", mit dem die Düsseldorfer Landesregierung die Erwerbstätigkeit
von Frauen strukturell verbessern will, und zwar in einem doppelten Sinne:
Unterstützt werden einerseits die Frauen, deren Kinder betreut werden, und
ebenfalls jene, die diese Betreuungsarbeit leisten. Auch die Durchführung der
Herzogenrather Maßnahme teilt sich die städtische Gleichstellungsstelle mit
dem FrauenKommunikationsZentrum e.V.. 24 Frauen haben im September mit der
zehnmonatigen Weiterbildung begonnen, die insgesamt stattliche 120
Unterrichtsstunden umfasst.
"Der Erwartungsdruck an die Betreuungskräfte der OGS ist hoch",
erläutert Gabriele Allmann, Geschäftsführerin des
FrauenKommunikationsZentrums. "Pädagogische Betreuung,
Hausaufgabenbegleitung, Mittagessen, Kurse und Fördermaßnahmen, dazu die
Kommunikation mit den Lehrerinnen, Lehrern und Eltern. Hinzu kommt, dass in den
Schulen eine zunehmende Auffälligkeit von Kindern festgestellt wird, die sich
beispielsweise in mangelnder Konzentrationsfähigkeit, durch Defizite im
Sozialverhalten oder im ADS-Syndrom äußern." Im Blick auf diese hohen
Ansprüche ist das Kursprogramm der Qualifizierung so zugeschnitten, dass es
neben dem fachlichen Wissen auch das Selbstwertgefühl der Betreuungskräfte
stärkt. "Wir legen Wert darauf, den Teilnehmerinnen das Bewusstsein zu
vermitteln, dass die Betreuung eine qualifizierte und vollwertige Arbeit ist.
Das trägt dazu bei, dass sie ihren Platz in dem Dreieck
Eltern-Lehrerinnen/Lehrer-Betreuung finden und behaupten können", so
Gabriele Allmann.
Eine weitere Besonderheit des Herzogenrather Projektes ist der
Pilotcharakter. Da es bisher in NRW kein einheitliches Curriculum für die Aus-
bzw. Fortbildung von Betreuungskräften für die OGS gibt, will man durch eine
systematische Auswertung dazu beitragen, gesicherte Qualitätsstandards für
diesen Bereich zu schaffen. Das (Fern-)Ziel besteht darin, ein anerkanntes
Zertifikat für die OGS-Betreuung zu entwickeln. "Wir registrieren aber
schon jetzt", so Birgit Kuballa, "dass unsere Kursteilnehmerinnen
durch die Qualifizierung für die Schulen bzw. deren Träger sozusagen
wertvoller werden. Das ist vor allem deshalb wichtig, weil in diesem Bereich die
Arbeitsverträge in der Regel nur für jeweils ein Jahr abgeschlossen
werden."
Eine zweite Säule des Projekts "Klarschiff für Kids und Karriere"
besteht in einer Qualifizierung für Tagesmütter, die Kinder im Alter von unter
drei Jahren (U3) betreuen. Während andere Träger, die mit dem Herzogenrather
Projekt kooperieren, hier vor allem die pädagogischen Kompetenzen im Blick
haben, kümmert sich das Team von Gabriele Allmann und Birgit Kuballa um die
ökonomischen und betriebswirtschaftlichen Aspekte einer solchen Tätigkeit.
"Wir sprechen hier von Frauen, die gut mit Kindern umgehen können, aber
meist nur ganz wenig darüber wissen, wie man eine solche Existenz als
U3-Tagesmutter wirtschaftlich organisiert und wie man sich auf dem Markt
präsentiert", so Birgit Kuballa, die gleichzeitig betont: "Auch in
diesem Bereich werden Zertifizierungen und Qualitätsnachweise immer
wichtiger."
Die Qualifizierung zur U3-Tagesmutter umfasst nicht nur die beiden
Schulungsmodule "Betriebswirtschaftliche Grundkenntnisse" sowie
"Organisation und Haushaltmanagement", sondern als zusätzliche
Unterstützung eine individuelle Beratung, die auch die erste Zeit der
Selbstständigkeit begleitet. "Betreue ich Kinder zu Hause oder eröffne
ich eine externe Betreuungsgruppe? Oder suche ich die Kooperation mit einem
Unternehmen, um vor Ort Betriebskindergruppen zu leiten – bei der Beantwortung
solch grundsätzlicher Fragen helfen wir den Frauen ebenfalls. Und wir merken,
dass das gut ankommt", sagt Gabriele Allmann. Nachdem 2006 erstmals 12
Frauen die Qualifizierung zur U3-Tagesmutter durchlaufen haben, startet im März
2007 eine zweite Gruppe.
"Eines", so resümiert Gabriele Allmann zur Halbzeit der
Qualifizierungsmaßnahmen, "kann man bereits jetzt sagen: Die Projekte
funktionieren nicht nur, sie sind auch super spannend."